Wir haben es tatsächlich geschafft. Nachdem wir heute um 5:00 Uhr aus O Pedrouzo aufgebrochen waren, haben wir um 10:00 Uhr den Vorplatz der Kathedrale von Santiago erreicht. Ein unbeschreibliches Gefühl, seinen Fuß auf den „Kilometerstein Null aller Caminos“ zu stellen, welche dort, sternförmig aufeinandertreffen. Wir sind zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich allein auf dem Platz und können den besonderen Moment auf uns wirken lassen.
Unbegreiflich – man läuft 799 Kilometer (dies ist die uns offiziell bestätigte Kilometerzahl) und ganz plötzlich steht man da. Wochenlang stellt man sich den Moment vor, in dem man den Kathedralenvorplatz betritt und letztendlich prasseln so viele Eindrücke auf einen ein, dass man DEN Moment gar nicht beschreiben kann.
Nachdem wir eine ganze Zeit einfach nur dastehen und die vielen Eindrücke aufsaugen, haben wir uns entschieden, unsere Rucksäcke in unsere Unterkunft zu bringen – Rucksäcke darf man, entgegen aller Spekulationen im Internet und unter den Pilgern, nicht mit in die Kathedrale nehmen. Um 12:00 Uhr geht es dann in die Kathedrale zur Pilgermesse.
Wir haben wohl einen besonderen Tag erwischt, denn die Messe wird vom Bischof abgehalten und beginnt zunächst mit dem offiziellen Einzug der Ehrengäste (in diesem Fall Militär und Polizei nebst Familien). Anschließend ziehen der Bischof, Pastore und Messdiener ein, nachdem einer der Messdiener hochoffiziell 3 x mit einem Stab vernehmlich auf dem Boden aufklopfte. Die Messe wird in Spanisch abgehalten, wir verstehen so gut wie nichts. Das ist aber auch nicht wichtig, denn eine Nonne singt während der Messe so engelsgleich, dass sie so manches Pilgerherz berührt. Der Pilgersegen wird in diversen Sprachen gesprochen, das „Vater Unser“ geht immer und auch die Kommunion, die ausschließlich den Pilgern vorbehalten ist, wird in der Sprache des jeweiligen Pilgers verteilt. Am Ende wird dann auch noch das berühmte Weihrauchfass, die Botafumeiro, durch das Querschiff geschwenkt. Das ist für uns der persönliche Höhepunkt der Pilgermesse, denn dieses wird nur an besonderen Tagen oder zu besonderen Anlässen geschwenkt (nicht verwunderlich, die Aufhängekonstruktion ist mittelalterlich, die Herren, die Tiraboleiros, die am Strick ziehen auch und die Butafumeiro schwenkt teilweise schon bedenklich hoch).
Während der Messe müssen wir uns ein paar Mal fremdschämen. Trotz mehrfachem Hinweis des Sicherheitspersonals, dass die Kathedrale während der Messe für Besucher nicht zugänglich ist, laufen Touristen und auch die Toureligrinos in der Kathedrale umher, reden laut, machen sich durch Pfiffe aufeinander aufmerksam und stellen sich – unfassbar – zum Fotografieren vor die Teilnehmer der Pilgermesse.
Nach der Messe gehen wir dann natürlich zum hl. Jakobus hinter den Hochaltar und beenden durch eine Umarmung der Statue (die wirklich aus purem Gold und Edelsteinen besteht) offiziell unsere Pilgerreise auf dem Camino Frances.
Im Pilgerbüro beantragen wir anschließend unsere Compostela. Der Ansturm ist natürlich groß aber entgegen aller Bangemacherei durch Pilgerfreunde, die jemanden kennen der jemanden kennt, der mehrere Stunden hat warten müssen, halten wir unsere Compostela bereits nach gut einer Stunde ausgefertigt in der Hand.
Abends gönnen wir uns Tapas und gehen wieder früh zu Bett – schließlich wollen wir am kommenden Tag zum Ende der Welt aufbrechen.
Fazit des Tages: Wir sind tatsächlich den Camino Frances gelaufen 😀.